letzte Aktualisierung: April 2025
Die deutsche Gesellschaft altert. Das stellt unter anderem das Rentensystem und den Arbeitsmarkt unter Druck. Besonders stark davon ist auch die Pflegebranche betroffen: Der Begriff Pflegenotstand prägt gegenwärtig die öffentliche Diskussion. Doch was ist das und was tut die Bundesregierung dagegen?
Aktuelle Zahlen zum Pflegenotstand
Die Alten- und Krankenpflege kämpft um jede Arbeitskraft. Der Bedarf an Pflegekräften wird bis 2049 auf 2,15 Millionen steigen. In den nächsten Jahren droht eine massive Lücke: Bereits 2034 fehlen 90.000 bis 350.000 Pflegekräfte, abhängig vom Szenario. Vier von fünf Pflegeeinrichtungen mussten 2023 ihr Angebot einschränken, da Personal fehlte. Der Spitzenverband der Krankenkassen meldete 2023 einen Anstieg der Pflegebedürftigen um 361.000. Spezialisten in Onkologie, Geriatrie und Palliativpflege fehlen besonders. Die Politik steht vor der Herausforderung, eine umfassende Reform zu initiieren, um den Pflegenotstand zu bekämpfen.
„Deutschland droht zum Land der Wartelisten zu werden. Das ist das Ergebnis einer Pflegepolitik der unterlassenen Hilfeleistung. Diese Politik führt zu Pflegenotstand und Staatspflege. Ohne massive Investitionen in Pflegeplätze und den Abbau von Bürokratie wird die Versorgungslücke weiterwachsen.“ – Thomas Greiner (Präsident Abeitgeberverband Pflege)
Vergleich mit anderen europäischen Ländern
Generell ist der Fachkräftemangel in der Pflege nicht nur ein deutsches Problem. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge gibt es weltweit 57 Staaten, denen Gesundheitspersonal fehle. Viele der Älteren sind deshalb auf Pflege durch Familienangehörige oder professionelle Betreuer angewiesen. Was das Personal angeht, liegen die skandinavischen Länder vorn: In Dänemark und Norwegen ist eine wesentlich bessere Personalausstattung vorhanden. Die skandinavischen Länder unterstützen die vorhandenen Pflegekräfte zudem mehr. In Schweden gibt es zum Beispiel ein für Pflegekräfte angenehmeres Kinderbetreuungssystem, das Schicht- und Nachtarbeit gerecht wird. Pflegekräfte mit Kindern bleiben darum viel länger im Beruf – auch in Vollzeit. Auch im Vergleich zu den westlichen und südlichen Nachbarländern beläuft sich die Personallücke in Deutschland immer noch auf mehrere Zehntausend. In anderen Ländern, darunter Ungarn und Italien, ist Pflege vorrangig eine Familiensache.
Ursachen für den Pflegenotstand
Der Pflegenotstand in Deutschland hat seinen Ursprung in einer stark wachsenden Nachfrage unter anderem durch die demografische Entwicklung in Verbindung mit einem überschaubaren Angebot an professionellen Pflegemöglichkeiten. Ein Kurswechsel ist bisher nicht in Sicht.
Zahl der auszubildenden Pfleger steigt zu gering
Der Pflegeberuf bleibt trotz des akuten Fachkräftemangels außerhalb der Top 10 der beliebtesten Ausbildungen. Im Jahr 2025 dominieren weiterhin kaufmännische und technische Berufe wie Kaufmann für Büromanagement oder Fachinformatiker die Rankings. Die Zahl der Pflegeauszubildenden stieg zwar leicht, reicht aber nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die Überalterung der Gesellschaft verschärft den Notstand: Bis 2055 werden 6,8 Millionen Pflegebedürftige erwartet, während bis 2049 bis zu 690.000 Pflegekräfte fehlen.
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Der demografische Wandel
Das Statistische Bundesamt vermeldet, dass derzeit 6 Millionen Menschen in Deutschland als Gesundheitspersonal angestellt sind. Davon haben 12,3 Prozent das 60. Lebensjahr überschritten. Der demografische Wandel wirkt sich also gleich doppelt auf den Pflegeberuf aus. Durch die gute Lebensqualität in westlichen Industrienationen erreichen immer mehr Menschen ein hohes Alter, was das Risiko für schwere Erkrankungen oder eine Pflegebedürftigkeit erhöht. Die Nachfrage nach professioneller Pflege steigt somit deutlich: Aktuell sind nach Destatis etwa 5,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Gleichzeitig sinkt allerdings das Arbeitskräftepotenzial. Das bedeutet, für immer mehr Pflegebedürftige gibt es immer weniger Arbeitskräfte, die sich um sie kümmern können.
Teilzeitarbeiter und Leiharbeit
Ein weiterer Faktor für den Pflegenotstand ist die Art der Beschäftigung. Denn der Personalaufbau fand fast ausschließlich über Teilzeitarbeitskräfte statt. Das liegt mitunter an den Arbeitsbedingungen in der Pflege. Weil viele der Pfleger und Pflegerinnen um ihre eigene Gesundheit fürchten, gehen sie in Teilzeitarbeit über, geben den Beruf auf oder wandern in Länder mit besseren Arbeitsbedingungen ab.
Alternativen zum Pflegeheim
Mittlerweile gibt es jedoch Optionen, aus denen Pflegebedürftige oder deren Angehörige wählen können, sollten sie sich gegen den Einzug ins Pflegeheim entscheiden. Zunächst einmal wäre da der italienische Weg – die Familie macht alles. Für Familien mit vielen Arbeitstätigen ist das eine eher schwierige Option. Weitere Möglichkeiten im Überblick sind:
- Senioren-WGs: Hier verlässt die zu betreuende Person ihr gewohntes Umfeld, wohnt aber dann mit Gleichgesinnten zusammen. Vor Ort kümmern sich professionelle Pflegekräfte um die WG-Bewohner.
- 24-Stunden-Pflege: Eine Betreuungskraft zieht in den Haushalt des Pflegebedürftigen ein und ist jederzeit als Ansprechperson vor Ort.
- Tagespflege: Die Tagespflege ist eine Form der teilstationären Pflege, bei der ein Pflegebedürftiger stunden- oder tageweise in eine Tagespflegeeinrichtung einzieht. Abends kehrt er zurück nach Hause und übernachtet für gewöhnlich auch dort. Weitere Alternativen zeigen wir in unserem Artikel „Wohnen im Alter“ auf.
Da nicht nur ältere Menschen pflegebedürftig werden, muss bei den Betreuungsmöglichkeiten individuell geprüft werden, welche die beste ist. Für junge Pflegebedürftige gibt es spezielle Angebote.
Ausländische Pflegekräfte für zu Hause
Obwohl der überwiegende Teil des Fachkräftebedarfs laut Bundesregierung durch inländische Arbeitnehmer gedeckt werden könnte, steigt die Zahl der ausländischen Pflegekräfte deutlich. Aktuellen Daten aus 2023 zufolge, sind in Deutschland rund 271.000 ausländische Pflegekräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt, was einem Anteil von 16,2 % aller Pflegefachkräfte entspricht. Seit 2013 steig die Zahl um 273%. Die Bundesregierung verfolgt mehrere Ansätze, um es ausländischen Pflegekräften leichter zu machen, in Deutschland ein Visa und eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. „Deutschland braucht mehr Pflegekräfte“, betonte bereits der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Den hohen Personalbedarf können wir ohne Pflegekräfte aus dem Ausland nicht decken. Deshalb erleichtern wir es ausländischen Fachkräften, die mit anpacken wollen und unsere Werte teilen, hier in der Pflege zu arbeiten.“ Einer dieser Ansätze ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das eine geplante Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern zum Ziel hat.
Ausländische Fachkräfte sind oftmals kostengünstiger, weswegen sie eine Alternative für Angehörige darstellen, die sich andere Lösungen nicht leisten können. Bei der Beschäftigung ausländischer Hilfskräfte gilt dennoch das deutsche Arbeitsrecht.
Weitere Informationen
Internetportale wie Pflege durch Angehörige können besonders dabei helfen, sich auf die Herausforderungen der Pflege einzustellen.
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