Es ist menschlich, die eigene Sterblichkeit zu verdrängen. Doch manchmal geht es ganz schnell. Ein Unfall geschieht, eine schwere Krankheit wird diagnostiziert. Und dann ändert sich das Leben ganz plötzlich. Lange Krankenhausaufenthalte, schwere Operationen oder Koma bestimmen das Dasein. Im schlimmsten Fall ist keine Besserung mehr in Aussicht. Doch was passiert dann? Wer kümmert sich, falls Sie nicht mehr in der Lage sind? Und wer entscheidet in den schlimmsten Momenten über Ihr Ableben? Falls die Antwort nun lautet „mein Ehepartner oder die Kinder“, liegen Sie falsch. Denn diese sind nicht automatisch berechtigt, im Ernstfall über ihre Angelegenheiten zu entscheiden. Die Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung bieten hier einen Ausweg. Doch worin unterscheiden sich die drei Dokumente voneinander? Brauche ich wirklich alle drei Vollmachten? Und wann sind diese eigentlich gültig?
Worin unterscheiden sich eine Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung?
Mit dem 18. Geburtstag wird das Leben um einige Möglichkeiten reicher. Doch die Volljährigkeit bedeutet nicht nur Vergnügen, sondern auch Verantwortung. Nämlich die gegenüber dem eigenen Leben. Gerade dann, wenn es um Dinge wie die eigene Gesundheit, Vorsorge und die Endlichkeit geht, muss jeder Erwachsene für sich selbst vorsorgen. Was passiert mit Ihren persönlichen Angelegenheiten, wenn Sie sich nicht mehr kümmern können? Wer kann auf Ihr Konto zugreifen? Wer kann für Sie bestimmen? Und wer entscheidet im schlimmsten Fall, wann die lebenserhaltenen Maßnahmen abgestellt werden? Genau für solche Situationen haben alle vollmündigen Personen das Recht, ihre Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit im Falle einer Krankheit oder im hohen Alter an andere Personen abzutreten. Dafür gibt es drei Möglichkeiten, die unterschiedliche Teilbereiche abdecken:
1. Patientenverfügung
Die Patientenverfügung regelt im Fall einer Einwilligungsunfähigkeit, beispielsweise durch einen Unfall oder schwere Krankheit, ob bestimmte medizinische Maßnahmen durchgeführt werden sollen. In der Patientenverfügung können Sie also angeben, welchen medizinischen Heilversuchen und lebenserhaltenden Maßnahmen Sie zustimmen und welche Maßnahmen Sie nicht möchten. Oftmals wird hier auch Ihre Bereitschaft zur Organspende abgefragt. Mit diesen Angaben richtet sich die Patientenverfügung an Ärzte und Mediziner oder einen von Ihnen eingesetzten Betreuer. Da die medizinischen Probleme zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht eingetroffen sind, handelt es sich um eine Vorausverfügung des eigenen Willens. Eine Patientenverfügung muss, wie alle anderen Vollmachten auch, in schriftlicher Form vorliegen. In der Regel wird in der Patientenverfügung auch ein Vertreter Ihres Willens genannt. Ist dies der Fall, darf diese Person dann, anstelle von Ihnen selbst, Ihren Willen bei Ärzten aussprechen und durchsetzen. Sie ist also vorsorgeberechtigt. Nur mit dieser Klausel – oder einer entsprechenden extra ausgefüllten Vorsorgevollmacht – darf die Person Ihre Befugnisse durchsetzen. Ist dies nicht der Fall, wird ein Betreuer vom Gericht bestimmt. Dieser muss jedoch nicht zwangsläufig ein Familienmitglied sein, die Aufgabe kann auch durch externe Betreuer erfüllt werden. Textbausteine und eine Vorlage für eine individuell anzufertigende Patientenverfügung finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz.
2. Vorsorgevollmacht
Eine Vorsorgevollmacht ist ein notwendiges Dokument der Patientenverfügung, das eine dritte Person zur Ausübung dieser bewilligt. Zudem deckt eine Vorsorgevollmacht auch Situationen der Pflegebedürftigkeit ab. Sonst wird im Fall Ihrer Betreuung normalerweise über das Gericht eine Person bestimmt. Eltern, Ehepartner oder Kinder sind nicht automatisch für diese Aufgabe eingesetzt. Kommt das Gericht zu dem Urteil, dass ein externer Betreuer besser ist, kann auch ein solcher bestellt werden. Mit einer Vorsorgevollmacht wird dieser gerichtliche Prozess ausgehebelt. Die von Ihnen eingesetzte Person in der Vorsorgevollmacht wird automatisch als Ihr Betreuer bestimmt. Jedoch nur dann, wenn diese dem Gericht vorliegt. Deshalb ist es sinnvoll, die Vorsorgevollmacht im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrieren zu lassen. Ärzte greifen dann beispielsweise auf das Register zurück und können den Betreuer ohne Gericht informieren. In der Vorsorgevollmacht können Sie Angaben über medizinische Maßnahmen und Ihre Wünsche zu lebensverlängernden Maßnahmen eintragen. Dennoch geht eine Vorsorgevollmacht noch weit über dies hinaus. Denn sind Sie nicht mehr entscheidungsfähig – beispielsweise durch einen Unfall oder eine Krankheit – darf der von Ihnen eingesetzte Vertreter Ihren Willen auch in anderen Bereichen wie Pflege, Wohnungsangelegenheiten, Behördengänge, Vermögenssorge, Post und Fernmeldeverkehr sowie vor Gericht durchsetzen. Damit geben Sie je nach eigenem Wunsch Ihre Geschäfts-und Einwilligungsentscheidungen an eine Vertrauensperson ab. Entsprechend enthalten sollte eine Vorsorgevollmacht:
- Fragen der Gesundheits- und Pflegesorge
- Wohnungsangelegenheiten
- Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen
- Fragen der Vermögenssorge
- Immobiliengeschäfte (Notarielle Beglaubigung wichtig)
- Geschäftsfragen (Notarielle Beglaubigung wichtig)
- Regelung des Post- und Fernmeldeverkehrs
- Gerichtsvertretungen
- Erteilung einer Untervollmacht
- Geltung der Vollmacht über den Tod hinaus
Ein Beispiel für eine solche Vorsorgevollmacht stellt das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz auf ihrer Webseite zur Verfügung.
3. Betreuungsverfügung
Bei der Betreuungsverfügung handelt es sich um einen Vorschlag Ihrerseits an das Gericht, wer zum Betreuer bestimmt werden soll. Liegt also keine Vorsorgevollmacht – auch im Rahmen der Patientenverfügung – vor, entscheidet das Gericht über den Betreuer und berücksichtigt die Betreuungsverfügung. Dennoch kann das Gericht auch gegen die von Ihnen gemachte Empfehlung handeln. Eine Betreuungsverfügung ist in der Regel dann sinnvoll, wenn Sie niemanden haben, der die Aufgaben eines Vorsorgebevollmächtigten übernehmen will oder wenn Sie die gerichtliche Anordnung bevorzugen. Ein Beispiel für eine Betreuungsverfügung finden Sie ebenfalls auf der Webseite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz.
Wann tritt eine Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung in Kraft?
Alle drei Dokumente bedürfen neben der Schriftform vor allem eine Unterschrift mit Orts- und Datumsangabe. Alle Dokumente sollten regelmäßig aktualisiert werden. Anschriften, gesundheitliche Besonderheiten oder Neuerungen und Bankverbindungen sollten auf dem aktuellen Stand sein. Entspricht eine Verfügung allen Anforderungen und ist auf dem aktuellen Stand, kann diese – ohne Vernichtung oder Widerruf – dauerhaft gelten. Im Fall der Patientenverfügung sogar bis über den Tod hinaus, zumindest dann, wenn Sie Organspendeangaben gemacht haben. Grundsätzlich sollten Sie alle drei Verfügungen alle zwei bis drei Jahre aktualisieren oder auf Aktualität überprüfen. Hat sich nichts geändert, reicht es in der Regel, die schon bestehende Verfügung nochmal mit aktuellem Datum zu unterschreiben. Sollten sich ihre Angaben oder Wünsche geändert haben, sollten sie die Verfügungen neu ausstellen. Zusätzlich zu diesen Dokumenten spielt für Familien auch eine Sorgerechtsverfügung immer eine große Rolle.
Wann soll eine Vollmacht von einem Notar beglaubigt werden?
Die Notwendigkeit einer notariellen Beglaubigung hängt stark von der Art des Dokuments und den eigenen Wünschen ab. Wollen Sie beispielsweise Geschäftskonten oder Immobiliengeschäfte übertragen, ist hier oft ein Notar notwendig. Jedoch müssen alle drei Dokumente bestimmte formale Vorgaben erfüllen, um rechtsverbindlich zu sein. So sollten alle drei Dokumente standardisierte Sätze und über eine Unterschrift verfügen. Entweder vereinbart man gleich einen Notartermin, um sich beraten zu lassen und die Verfügung zu erstellen, oder man greift auf Vorlagen und Broschüren zurück. Um Fehler ausschließen zu können, sollten alle Dokumente jedoch spätestens im Anschluss an eine eigenständige Erstellung von einem Notar abgesegnet werden. Vorsorgevollmachten sind im besten Falle beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer zu registrieren. Denn nur durch die dortige Hinterlegung kann sichergestellt werden, dass die Verfügung im Notfall ohne Umschweife den behandelnden Ärzten vorliegt und den Wünschen des Patienten gerecht werden zu können.
Was sollten Sie bei der Ausstellung der Dokumente beachten?
Wichtig beim schriftlichen Verfassen der Patientenvollmacht, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung ist, dass die Person in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte ist sowie eine genaue und eindeutige Formulierung verwendet, wann die Lebenserhaltung durch Apparate, Schläuche und Medikamente eingestellt werden soll. Somit wird also keinesfalls den Angehörigen das Abschalten der Geräte, sondern ausschließlich die Weiterbehandlung durch die Ärzte in aussichtslosen Situationen untersagt. Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachen und Betreuungsverfügung sollten, genau wie das Testament, so aufbewahrt werden, dass die Angehörigen gut drankommen, wenn es nötig ist. Mit Hilfe des Zentralen Vorsorgeregisters der Bundesnotarkammer lässt sich gewährleisten, dass Vorsorgeverfügungen im Notfall nicht nur für die Familie, sondern auch für das behandelnde Krankenhaus sofort einsehbar sind.
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Sterbehilfe – Was ist erlaubt?
Mit dem Thema Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung ist auch immer das Thema Sterbehilfe verbunden. Denn letztlich entscheiden andere Personen – entsprechend Ihrem Willen – über das An- oder Abschalten lebenserhaltener Maßnahmen. Doch ist das eigentlich erlaubt oder handelt es sich schon um Sterbehilfe? In Deutschland werden hierzu verschiedene Arten von Sterbehilfe unterschieden, nicht alle sind verboten:
- Die aktive Sterbehilfe Aktive Sterbehilfe beschreibt das gezielte Töten eines Patienten durch eine andere Person beispielsweise durch eine Überdosis von Schmerzmitteln. Dabei handelt der Helfende zwar nach dem Willen des Kranken, insofern dieser entscheidungsfähig ist, dennoch ist die so genannte „Tötung auf Verlangen“ in Deutschland strafbar.
- Beihilfe zum Suizid Im Falle einer schweren Erkrankung kommen Patienten häufig Suizid-Gedanken. Leistet ein Arzt Beihilfe zu diesem Suizid – zum Beispiel durch die Bereitstellung von Medikamenten – ist dies nicht strafbar. Der Grund: Suizid selbst ist nicht strafbar, entsprechend kann auch die Beihilfe dazu nicht belangt werden. Ein Problem entsteht dabei trotzdem: Der Arzt wird wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt. Zumindest insofern keine Willensbekundung des Kranken zum Tod vorhanden ist. Je nach Berufsordnung der Landesärztekammer sollen Mediziner eine solche Beihilfe jedoch nicht gewährleisten, selbst wenn sie unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar ist. Generell strafbar ist an dieser Stelle jedoch die gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid.
- Passive Sterbehilfe Diese Form der Sterbehilfe wird durch die Patientenverfügung abgedeckt. Gemeint sind hier der Abbruch oder das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen. Also beispielsweise das Abschalten der Beatmungsmaschine. Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland legal – muss jedoch in einer Patientenverfügung als Wille des Betroffenen eindeutig ausgewiesen werden.
- Indirekte Sterbehilfe Unter indirekte Sterbehilfe versteht man vor allem das Lindern von Schmerzen. So nehmen manche Ärzte durch die Verabreichung von schmerzlindernden Medikamenten in Kauf, dass ein Patient früher als prognostiziert verstirbt. Diese schmerzlindernde Form der Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt.
Was passiert, wenn ich keine Vollmachten ausgestellt habe?
Ohne Patientenverfügung und Co. würde der Patient im schlimmsten Falle noch über Jahre hinweg künstlich am Leben erhalten werden. Selbst, wenn die engsten Angehörigen diese Situation unterbinden möchten. Denn über eine dritte Person zu entscheiden, ist Ärzten sowie Angehörigen gesetzlich untersagt. Zudem würde auf Antrag vom Amtsgericht ein Betreuer bestimmt werden, der die Geschäftstätigkeit des Patienten in Vertretung ausführt.
Vorsorge nicht nur mit letzten Verfügungen
Dass die Vorsorge für den eigenen Lebensabend nicht nur die dargestellten Vorsorgevollmachten erfordert, ist bekannt. Nach einem Unfall einen Entscheidungsbefugten festgelegt zu haben, schützt leider längst nicht vor hohen Pflegekosten und einer Berufsunfähigkeit, die sich grundlegend nur über eine Pflegeversicherung und weitere Bausteine absichern lassen. Nach Angaben der deutschen Rentenversicherung haben Arbeitnehmer, die heute Mitte 50 sind, ab einem Alter von 17 bis 18 Jahren in die Rentenkasse eingezahlt. Durchschnittlich hatten sie 45 Jahre bis zum „geläufigen“ Rentenbeginn. Heute ist diese Zeitspanne auf 35 Jahre gesunken. Bedenkt man, dass die Bevölkerung zudem immer älter wird und bis dato viel zu selten private Zusatzversicherungen abschließt, ist eine plötzliche Berufsunfähigkeit umso besorgniserregender. Vorsorge betrifft viele Bereiche des Lebens. Jeder sollte sich deshalb rechtzeitig Gedanken machen, was für ihn Priorität hat und wie er sich seinen Lebensabend vorstellt. Viele Informationen finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz.
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